Unsere Scheunensage
Auf unserem Hof steht eine Scheune. Die steht dort schon lang. Viele, viele Menschen und Tiere haben hier schon gelebt, haben den Geruch des Heus genossen, die Vorräte versteckt und es sich gut gehen lassen. Doch irgendwann zogen sie aus. Sie nahmen ihre Heugabeln, Schubkarren und Dreschflegel und gingen. Die Scheune stand leer. Nur das Heu des letzten Sommers lag noch darin.
Duftende Türme aus tausenden Halmen füllten den hohen Raum. Die letzte Sommerwärme ruhte schlafend unter ihrem schweren Gewicht. Doch was war da? Ein Rascheln! Ein Kratzen! Da war noch jemand! Ein, nicht jemand- da waren viele! Unter den Halmen, mit bloßem Auge kaum zu sehen, lebten die kleinen Gesellen. Keiner der Menschen auf dem Hof hatte sie je gesehen, oder auch ihren Schritten gelauscht- denn keiner wusste, dass es sie gab. Nur der Gärtner hatte sich dann und wann über eine verlorene Blume im Heu gewundert. Aber die kleinen Gesellen waren da. Und sind es auch heute.
Die kleinen Gesellen leben in unserer Scheune. Sie sorgen um sie und lieben ihr zuhause auf unserem Hof! Im Frühjahr stecken sie die Samen in die Erde und begrüßen die die ersten Frühlingsblumen mit fröhlichem Willkommen. Im Sommer reden sie mit den Tieren, bitten die Regenwürmer um Hilfe und sorgen dafür, dass alle Pflanzen genug Wasser bekommen. Im Herbst holen sie die Früchte und mähen die Felder. Sie füllen ihre Vorräte und schichten ihre kuschligen Betten auf. Und im Winter- ja da kriechen sie in die warmen, duftenden Winkel der Scheune, erinnern sich an das Jahr und erzählen sich Geschichten.
So machen sie es Jahr für Jahr. Seit langer, langer Zeit. Doch eines Tages, der Sommer war grad dabei den Frühling zu verabschieden, die Blumen zeigten ihre farbenfrohesten Kleider und die Bienen flogen voller Tatendrang hin und her und ließen die Spatzen kaum durchfliegen; da war ein klägliches Wimmern zu hören. Ein Heulen. Ein Schluchzen.
Die kleinen Gesellen konnten es kaum glauben, doch vor ihrer Scheune, auf ihrem Hof waren: Geister. 8 verschiedene Geiser, keine so wie der andere, groß und klein, lang und rund, strubbelig, zackelig und fein wie eine Kirschblüte. Doch alle acht waren den Tränen nahe. Sie erzählten, dass sie verjagt worden waren. Sie lebten nicht weit entfernt in einem kleinen Birkenhain. Ihre Betten hatten sie unter den Wurzeln, trafen sich gern zum Plausch in den Baumlöchern und von der Spitze der wippenden Zweige begrüßten sie jeden Morgen die aufgehende Sonne. Gern flogen sie durch die Landschaft, immer auf der Suche nach Neuem, nach Abenteuern, nach Erlebnissen. Doch als sie an diesem Tag von ihren Höhenflügen nach Hause kamen, war ihr Wäldchen fort.
Kein einziger Baum stand mehr da und nur noch die aufgewühlte Erde zeugte von ihrem alten Zuhause. Ein großer Bagger hatte die Bäume aus der Erde geholt und schaufelte nun mit lautem Getöse tiefe Löcher ins Erdreich. Da waren die Geister erschrocken davongeflogen. Ein freundlicher Käfer hatte ihnen geholfen und ihnen diesen wunderbaren Hof gezeigt. Und da saßen sie nun und wussten nicht mehr weiter.
Doch die kleinen Gesellen waren freundlich. Sie luden sie ein in ihrer Scheune zu ziehen. Die ersten Geister waren sofort begeistert! 3 stürmten direkt hinein und brachten mit ihrem Wind die ganzen Heuberge durcheinander. Einer roch und horchte und schaute in jede Ecke und fand sofort ein lange verloren gegangenes Ei. Nach und nach kamen sie alle, alle acht in die Scheune. Und sie waren glücklich so einen wunderbaren Ort gefunden zu haben.
Von da an, lebten die kleinen Gesellen und die Geister zusammen. Aus Dankbarkeit für ihr neues Zuhause, stehen die Geister den kleinen Gesellen stets zur Seite. Und helfen ihnen, wo sie nur können. Ihr denkt vielleicht, was soll ein Geist schon tun- der kann doch gar keine Schubkarre schieben, kein Heu schneiden, keinen einzigen Fingerhut voll Wasser tragen. Nun, das mag vielleicht stimmen.
Aber weißt du was- so ein Geist kann so viel! Er kann… nun, davon erzähle ich euch ein anderes Mal!